Geschichtenerzähler & Werkstattfüredlefeinmechanik . . .Gestorben am 19.02.2014

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Altona Magazin Nr.14: Die magische Welt der Geschichten 2012

Cornelius Degen (56) hat immer einen Glückspfennig in der Hosentasche. Der liegt nicht nackt zwischen seiner hölzernen Nasenflöte und einer roten Murmel. Er ist versteckt in einer auf Hochglanz polierten Adobe Systems Schatulle aus Rosenholz, die nicht größer ist als ein Fingernagel. Nimmt Cornelius Degen den Pfennig aus seiner Ummantelung, dann deutet er auf den im Kupferstück eingravierten Eichenbaum und spricht mit verschwörerischer Stimme: „Grabe unter der kleinsten Eiche, so findest du den größten Schatz.“ Dann öffnet er den Pfennig an einem unsichtbaren Spalt. Im Inneren ruht, zwischen schneeweißem Papier, ein herzförmiges Rosenblatt. Der Künstler studiert aus dem Augenwinkel die Reaktion seines Gegenübers und beide freuen sich wie Kinder über den magischen Moment der Überraschung. „Ich erinnere mich daran, immer meine Hände geliebt zu haben“, erklärt der Mann seine Entscheidung, nach der Waldorfschule eine Ausbildung zum Goldschmied begonnen zu haben. „Ich stellte erst später fest, dass ich kein Goldschmied sein muss, um feine handwerkliche Arbeiten durchzuführen.“ Heute vereint Cornelius Degen viele Berufe in einer Person. Er ist Goldschmied, Feinmechaniker, Erfinder, Zauberer, vor allem aber Geschichtenerzähler, der verwunschene Erzählungen um selbst erschaffene Kostbarkeiten spinnt. Von der „Schneckenkugel“ bis zum aufschraubbaren Wachtelei kreiert er Spielereien, die eines gemeinsam haben: ihre geringe Größe. „Magie liegt in der Winzigkeit“, so Cornelius Degen.

„Ich erinnere mich daran, immer meine Hände geliebt zu haben“

 

Sein Atelier liegt im Hinterhof der ehemaligen Papierfabrik in Ottensen gleich neben der Geigenbauwerkstatt seiner Frau. Auf sechs mal sechs Metern finden große Maschinen, aber auch sein Kontrabass und eine Matratze fürs Mittagsschläfchen ihren Platz. Cornelius Degen muss sich schonen. Er wirkt  zerbrechlich. Nachdem er vor zwei Jahren von Kiel nach Ottensen zog, veränderte die Diagnose Krebs sein Leben. Zwanzig Kilo hat er durch die Behandlung abgenommen. Wenn er aber auf dem alten Lederstuhl an seiner Werkbank Platz nimmt, tief einatmet und die ersten Zeilen einer Geschichte spricht, dann ist viel Kraft in seiner Stimme und seine Seele strahlt warm. Er ist nicht wütend auf den Krebs, sondern begreift das irdische Leben als Lernprozess, so wie es die Anthroposophen tun. Die Theorien von Rudolf Steiner geben ihm immer wieder neuen Aufschluss. Seine Leidenschaft fürs Erzählen entstand aus der Not heraus. „Meine erste Frau war Kindergärtnerin und konnte unseren drei Kindern vorm Einschlafen wunderbar vorlesen“, erzählt er. Wegen seiner Legasthenie schämte sich der junge Vater fürchterlich, selbst ein Kinderbuch zur Hand zu nehmen. „Mein Fanta sievermögen war größer als mein Lesevermögen. Also erzählte ich irgendwann einfach frei Geschichten über mein Handwerk als Goldschmied.“ Die Kinder hingen an seinen Lippen. Und so tun es die Menschen auch heute, wenn er kleine Glaskugeln aus seinem alten Lederkoffer holt, in denen glänzende Goldfäden wohnen und Cornelius Degen erklärt: „Wisst ihr, ich habe beste Beziehungen zum Rumpelstilzchen.“ Cornelius Degen entwarf einige Maschinen in seinem Atelier selbst. Seine Glaskugeln entstehen etwa in einer Apparatur, die aus der Heizplatte einer Kaffemaschine, einer Whirlpool-Zeitschaltuhr, der Schraube aus einem Motorblock und Federn von umkämpften Eisenbahnschwellen aus dem Wendland besteht. Anschließend werden sie mit einer „Kugeldrehvorrichtung“ in Form gedrechselt. Apple-Gründer Steve Jobs war übrigens ein Liebhaber seiner Drechselarbeiten. „Seinen zehn Enkelkindern schenkte er jeweils eine Arbeit von mir“, verrät Cornelius Degen mit Stolz in der Stimme. Dabei handelt es sich um eine goldene Kugel, die wie von Geisterhand an einem Faden hoch und runter schwebt und in einem fein geschliffenen Holzdöschen verwahrt wird.

Für seine Zukunft schmiedet Cornelius Degen bereits Pläne. Er möchte raus aus dem lauten Hamburg und mit Freunden ins Wendland ziehen. Denn er vermisst sein altes Leben, wie er es  in Kiel geführt hat. „Ich lebte 28 Jahre an einem wunderschönen Ort mit vielen Obstbäumen an der Schwentine.“ Bis es soweit ist, tüftelt er an seinem neuesten Auftrag: „Für einen Zauberer soll ich eine Kerze entwickeln, die sich von alleine entzündet und wieder löscht. Mal gucken, ob ich das hinbekomme.“ Und er empfängt weiterhin jeden ersten Donnerstag im Monat in der Donnerstraße um 20 Uhr alle Menschen, die seinen Geschichten lauschen möchten. Einzige Gegenleistung ist ein Stück Kuchen und ein Gänseblümchen.

Holsteiner Kurier: Ein Koffer voller Absurditäten 01.11.'11

Gestik und Mimik überzeugten: Cornelius Degen erzählte, werkelte und zauberte...

ohne Quelle 1999

Autodidakt auf der Bühne des Lebens Cornelius Rentsch - Handwerker. Künstler. Feindrechsler. Geschichtenerzähler und Philosoph in Personalunion.
„Vidi Vici“ - Ich sah und siegte. Kein Zweifel. Cornelius Rentsch verfügt über die Magie des Gewinnenden und strahlt Selbstbewusstsein und Herzlichkeit aus. Er besticht durch Humor und vor allem durch rhetorische Talente, die. die Sprache zum Glänzen bringen. Beides begründet seine Fähigkeiten und seinen Werdegang. „Was nicht mit dem Herzen getan wird. ist eine Untat. Das ist auch der Grund. warum ich täglich mit vollem Herzen arbeite“, so der Sprachkünstler. „Ich möchte keine „netten“. „hübschen“ Dinge tun, sondern nur „SCIIUNIÄ“. erläutert er seine Grundhaltung. Goldschmiedemeister, Edelmetalltechniker, Feindrechsleir und Geschichtenerzähler, so beschreibt sich Cornelius Rentsch. „Seit zwanzig Jahren drechsle ich. Meine Arbeit ist für mich keine Leidenschaft sondern eine Freuden-Schaft.“ Mit dem Generalschlüssel des Lebens die Welt zu erkunden, bedeutet ihm viel. Er nimmt die Dinge hinter der Fassade wahr. „Die Seele muss gepflegt werden. Wir sollten viel mehr auf das Innere schauen.“ lautet seine Erkenntnis. Kein Zweifel, Cornelius Rentsch kann auf eine facettenreiche Vergangenheit zurückblicken. Vor 43 Jahren in Sachsen geboren, hat er mit 2 1/2 Jahren nach Westdeutschland ins Ruhrgebiet „rübergemacht“. Rudolf Steiners Lehre, in der der Mensch mit Herz und Verstand das Übersinnliche sucht, prägte die Lebenseinstellung des sensiblen Jungen, (in einem anthroposophischen Internat der schwäbischen Alb). Seine Faszination für Sprache und Schauspiel lebte er in Schauspielaufführungen und im Sprachgestaltungsunterricht aus. Schon früh zeichnete sich auch seine Liebe zu Materialien und das Geschick, damit umzugehen ab. „Mein Vater war allerdings nicht so glücklich über meinen Eifer, wie ich Wecker auseinandernahm,“ erinnert sich der Handwerkskünstler. („Schon seit zwanzig Jahren drechsele ich und fertige meine Werkzeuge aus alten Schrottteilen selbst“. Das hat er bis heute zur Perfektion entwickelt.) Nach seinem Schulabgang 1974 mit der Mittleren Reife stand für Cornelius Rentsch fest, dass er sein elementares Interesse am Technischen und den kleinen handwerklichen Dingen zu seinem Beruf machen wollte. „Ich werde. Goldschmied“, beschloss er. Er begann eine Lehre in Essen. „Da ich kein einfacher Mensch bin, und auch gar nicht sein will,“ ergaben sich Differenzen zum Meister, so dass der Lehrling dort seine Berufsausbildung abbrach. (Danach verdingte er sich für 20,- DM die Stunde bei einer Uhrenfirma - viel Geld für die damalige Zeit.) Seine Phantasie und sein Geschick lebte er im Erstellen von Schmuck mit „Alia- Effekt“ aus. Mit Achtzehn experimentierte Cornelius Rentsch mit kleinsten Teilen aus Hörgeräten. Es entstand elektronischer Schmuck, bei dem kleine Lämpchen wie Brillanten aufblitzten. („Andere Künstler machten auch elektronischen Schmuck. Ich erfuhr später davon z.B. Herr Hundertwasser. Mein Schmuck war der Kleinste,“ erzählt er stolz und man sieht in seinen blinzelnden Augen seine Liebe zu allem Kleinen und Feinen. „Ich kann mit den Materialien sprechen,“ fügt er hinzu.) Auf einer Goldschmiede-Tagung traf er dann einen Lehrer der Goldschmiedeschule in Hanau, der jahrelang für ihn Mentor und Förderer werden sollte. Dort erwarb er auch seinen Gesellenbrief. Über Umwege gelangte Cornelius Rentsch zu dem renommierten Juwelier Hansen in Kiel, wo er neun Jahre lang arbeitete. („Berufsbegleitend machte ich noch eine pädagogische Ausbildung zum Werklehrer. Dabei gelangte ich aber zu der Erkenntnis, dass ich mehr Handwerker als Pädagoge bin.) Da Unabhängigkeit eine wichtige Lebensvoraussetzung für ihn ist, machte er sich 1986 nach seiner Meisterprüfung selbstständig. Mit dem Spaß am darstellerischen Fabulieren gewann er Zugang zu den Herzen seiner Zuhörer, was eine sehr große Bedeutung für ihn hat. Durch Mimik, Gestik und Sprache erzeugt er atemloses Zuhören, die die Phantasie des Zuhörers beflügelt. Auch noch auf der Schwelle des neuen Jahrtausends zieht die uralte Kunst des Geschichtenerzählens in den Bann. Seine zauberhaften Requisiten sind unter anderem Glückspfennige zum Öffnen, wie ein Uhrdeckel, im Inneren ein Rosenherz, alles in einem winzigen Döschen. Ein aufschraubbares Wachtelei, (nach seinen Worten: „Zwergkrokodil-Ei“), aus dem er ein buntes Perlenkrokodil hervorzaubert oder auch die handschmeichelnden Metallkugeln, die durch ihren märchenhaften Klang andere durch ihre Bewegung, Eigenleben zu entwickeln scheinen. Alles selbstgefertigte Kleinode, die durch Cornelius Rentsch‘s Erzählungen zum Leben erweckt werden. Er hat gut zwei Dutzend dieser spannenden Geschichten in seinem Repertoire. (15.000 von diesen klingenden Märchenkugeln hat er seit 1986 mit selbstgefertigten Werkzeugen erstellt.) Seit Neuestem kann man auch seine kleinen, elliptisch gedrechselten Dosen bewundern, wobei Leonardo da Vinci der Ideengeber war. „Qualität und Quantität empfinde ich als Priorität“, beschreibt er seine Arbeit. Seine außergewöhnlichen Arbeiten und seine rhetorischen Talente kann man jedes Jahr im März auf seiner Tournee bei Handwerksmärkten oder auch privat bei Hochzeiten und anderen Feiern erleben und erwerben.(Eine nächste Gelegenheit dazu ist auf der Weihnachtsmesse im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg). Seit 21 Jahren lebt Cornelius Rentsch nun schon in Kiel. („15 Jahre war ich haben wir leider nicht halten können. Dennoch bin ich wieder mit Mut auf dem Weg zur Zweisamkeit“.) Momentan beschäftigt diesen vielseitig begabten Mann das Bauprojekt seiner neuen Werkstatt neben seinem Haus an der Schwentiene. Er will wieder Lehrlinge ausbilden und denen das Vermitteln, was er weiß und was ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Cornelius Rentsch: ein Philosoph mit Realitätssinn, der Gradlinigkeit im Empfinden als ausbalanciertes Lebenskonzept sieht. Spaß an der Arbeit ist ihm mindestens genauso wichtig wie der geschäftliche Erfolg. Bei ihm dominieren Sinnwerte vor Sachwerten, Ideale vor Materialistischem. Humorvolles verquickt sich mit Nachdenklichem. „Ich glaube unser Schicksal ist von uns vorgezeichnet und vieles kommt, wie es kommen muss.“ Humorvoll gesagt: Cornelius Rentsch lebt frei nach dem Song von Udo Lindenberg: „ Hinter dem Horizont geht‘s weiter...“